Kartenbild aus dem Brockhaus, Seegebiet NorwegenReisebericht 2003: 1020 nm von Bergen, Sognefjord, rund Norwegen über Göteborg bis Kiel. Dies war eine Medaille wert

Im Rekordsommer 2003, am  01. August übernehmen wir, das sind Peter Scholz, Dietrich Wachsmuth und Rolf Schröder, mittags, nach endloser, überwiegend nächtlicher Autofahrt von Hamburg nach Bergen, den Rhe im Stadthafen von Bergen. Die abreisende Crew übernimmt den VW-Bus, geht zurück nach Hamburg. Am hellen sonnigen Abend im Lande der Mitternachtssonne, treffen auch Andreas Rosztok mit Sohn Alexander (8), Jürgen ten Bosch und Detlef Jampert aus Berlin am Rhe ein. Gepäck und Proviant sind schnell verstaut, die Inspektion des Schiffes durchgeführt.

Bergen grüßt mit Sonnenschein. Schwarze Wolken regnen sich an den nahen Hängen des Festlandes ab. Am Hafen, in der historischen Stadtmitte, pulst das Leben wie in einer südlichen Hafenstadt. Freundliche blonde Menschen füllen den Kai und freuen sich mit uns über den langen, hellen Tag. Das Schiff wird seeklar gemacht für die Reise, die am nächsten Morgen beginnen soll. Wir legen ab und starten durch die norwegischen Scheren in Richtung Norden und dann tief hinein in den Sognefjord.

Dietrich, der Arzt an Bord, beweist beständige, kurzweilige Beweglichkeit. Sobald wir Land erreichen, hüpft er von Bord, sucht die Einamkeit nach Heilpflanzen und sonstigen Naturprodukten für das leibliche Wohl ab. Auch pflückt er Blumen als farbige Dekoration für unsere Tafel an Bord. Bei der Zubereitung der Speisen schwärmt er von der Gesundheit und Geschmackfülle seiner Findlinge und preist deren Wirksamkeit für das Wohlbefinden. Wir lernen Löwenzahn, Sauerampfer, Beeren, Wurzeln aller Art zu schätzen. Mal sitzt er reglos, meditierend an Bord, mal vollführt er vom Anleger unvermittelt aus dem Stand, wie eine gespannte Stahlfeder, einen Salto Mortale rückwärts auf das Deck. Dabei landet er glücklich mit beiden Beinen heil und aufrecht. Starr vor Schreck sind wir froh, dass dieses Stolpern glimpflich verläuft.

Hafenanlage am Fusse des GletschersBald segeln wir unter dem Banner der Kreuzritter (Flagge des SC-Rhe) mit leichtem achterlichen Wind gemütlich  durch die Einsamkeit des Songnefjord. Atemberaubend ist die Stille unserer Einsamkeit. Tief zwischen den steilen Felswänden des Gebirges wird jedes Geräusche von den Wänden zurückgeworfen. Die Erhabenheit dieser Landschaft bemächtigt sich unser. Unsere Gespräche verstummen. Während des Tages überholen uns zwei norwegische Segelyachten, die unter Maschine laufen. Bald verlieren sie sich in der Ferne, wir bleiben zurück in unserer Stille. Am Abend sehen wir sie im Hafen wieder.

Die leichte Briese drückt das Schiff geräuschlos voran. Unvergesslich bleibt die grandiose einsame Stille der Landschaft, die wir durchfahren. Nur die plätschernde Bugwelle beweist, dass hier Fahrt gemacht wird. Die grandiose Durchfahrt wird unvergesslich bleiben. Eine eigenartige Stille mit dem Echo der Geräusche von den hohen Felswänden macht den Zauber dieser Fahrt und wir unterhalten uns leise.

Auf Meereshöhe am Anleger in Fjaerland, liegen wir im  tiefen Einschnitt der gewaltigen Gebirge. Das Meer endet hier im ewigen Eis, ein Weltwunder. Im weißen Licht des milden, nicht vergehenden Tages des nordischen Sommers den Blick hinauf zu richten in das ewige Eis der gewaltigen Gletscher, wer hat das schon erlebt? Mit dem Bus fahren wir hinauf auf 2000 m Höhe. Hier ist ein Eismuseum zu besichtigen und wir sehen den Gletscher auch von innen. Das Eis ist in den letzen 20 Jahren gewachsen, anders als an den Gletscher der Alpen. Dies beweist zunehmende Niederschläge in nördlichen Regionen. Ob dieser Regen (Schnee) wohl anderenorts fehlt? Am Fuße des Gletschers ist gut ruhen. Das Schiff liegt sicher vertäut weit unten im idyllischem Hafen. Die Mannschaft versucht an der Abrisskante des Gletschers ausgelassen eine Schneeballschlacht. Mutige wagen sich sogar bis zu den Knien hinein in das eiskalte Wasser des Gletschersees, der unterirdisch gespeist wird. Kneipp pur, in wilder Naturlandschaft. Dies ist der heißeste Sommer seit Jahrzehnten.

Nach einer Woche Sonnenschein, stets ruhiger Fahrt, sind wir zurück im sonnigen Bergen, der regenreichsten Stadt Europas. Etwas wehmütig verabschieden wir uns von Dietrich Wachsmuth, Jürgen ten Bosch und Detlef Jampert. Dafür kommt Ingbert Röll, Hobbykoch an Bord, der uns fortan mit großen Mengen schmackhafter Nahrung versorgt.

Verantwortlicher Schiffer  Peter ScholzMit etwas kleinerer Crew, geht es in der Deckung der Scheren Richtung Süden. Wir legen, als der Wind einschläft, im Meer eine Badepause ein. Die Zeit holen wir an der offenen Westküste Norwegens, bei steifem Nordwest wieder ein Mit achterlichen Wind machen wir gute Fahrt in die Nacht hindurch, passieren um Mitternacht Stavanger und die dort auf Reede liegenden, hell erleuchteten Großtanker. Nach runden der Südspitze Norwegens tauchen wir mit rasender Fahrt wieder in die schützenden der Scheren ein. Als wir uns schlafen legen, haben wir 150 nm hinter uns, unser größtes Etmal während dieser Reise.

Unser Kapitän Peter Scholz, Offizier und Schiffführer der Bundeswhr, Schiffer und Menschenführer hat alle Hände voll zu tun. "Zuständig bin ich nicht", sagt er, nimmt aber mit festem Griff alles in die Hand und verteilt die Arbeit auf die Mannschaft. Ab und zu kommt er aus der Koje, erfragt Standort und Kurs. Wenn überall so geschickt, milde, verantwortlich gehandelt würde, gebe es jede Menge Freunde des Hochseesegelsports. Alle haben zu tun, jeder nach Möglichkeiten und Talenten. Nicht nur in den Scheren wird Navigation zur lebenswichtigen Aufgabe. Das Schiff kommt auf genau festgelegtem Kurs voran. Der Navigator gibt dem Steuermann Anweisungen. Wetter, Wind, Strömung müssen bei Berechnung des Steuerkurses berücksichtigt werden. Moderne GPS-Geräte machen die Kontrolle leichter. Einer muss sich auf den anderen verlassen können. Segeln ist ein Mannschaftssport mit festgelegten Verantwortlichkeiten. Verlässlich, großzügig nachsichtig gehen wir miteinander um. Das Ziel fest im Griff, den Zeitrplan im Auge, so geht es voran. Die Welt besteht aus Wasser, Wind, dem sicheren Boot, der Mannschaft.  Strömung und Wind bestimmen Geschwindigkeit und Wegstrecke. das Anlanden am  vorgesehenen Ziele ist immer ein spannendes, aufregendes Erlebnis. Das Kunststück des Anlegens und vertäuen des Bootes wird beiläufig ausgeführt.

Rolf Schröder, noch etwas blassNicht nur bei ruhiger wird das Steuern eines Schiffes zum erhabenen Erlebnis. Die norwegische wie die schwedische Küste bieten einen lebhaften Genuss. Die Falten aus alltäglichem Arbeitsleben glätten sich nach kurzer Fahrtzeit.  Es macht Spaß in ruhigen Gewässern zu schippern.

Begegnungen mit Kreuzfahrern machen die wahren Dimensionen deutlich. Zunächst winzig, dann überraschend riesig nah, verschwinden sie schließlich wieder in der Ferne. Die Eindringlinge stören das Landschaftsbild nicht. Im Gegenteil, wie sie werden auch wir Teil dieser Landschaft. Welchen Ausblick mögen diese hunderte oder gar tausenden Menschen von Bord der Schiffe auf unserer kleines Sportboot haben? Wir werden fotografiert. Ich habe das Gefühl mit den Passagieren der Kreuzfahrtschiffe nicht tauschen zu wollen.

Gigant Dr. Dietrich WachsmuthHier sehen Sie, wie festlich Segeln sein kann. Die gerade Haltung des Steuermanns, der feste Halt am Steuer, die Sonntagskleidung, die er trägt, lassen erkennen, dass es zur Promenade geht. Dieser Seemann ist bei schönstem Kaiserwetter geradewegs zum Lobe der Seefahrt unterwegs. Würde das Ungeheuer von Loch Ness unversehens vor ihm auftauchen, so würde er es tollkühn umfahren und so Schiff und Mannschaft retten.

Seeleute geben sich an Bord offen, fröhlich, sind rau und kühn, abergläubisch und zu einem losen Schwätzchen immer aufgelegt. Die raue Sprache, hintergründige Sprüche, Reden und Gesten sind aus der räumlichen Enge des Bootes heraus verständlich und verdecken das weiche Herz. Bei Sturm und Gefahr wachsen sie unversehens zu Giganten heran, führen, wie ein Mann, das Schiff durch Gebirge von Wasser hinauf und herunter und erreichen im sicheren Hafen ihre normale Gestalt zurück.

Nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen, das will gelernt sein. Wenn der Horizont im Tale chaotischer gewaltiger Wellenberge untergeht, wird eine Schiffslageanzeige gebraucht. Für mich war dies die Mütze des Kapitäns. In jeder Lage des Schiffes zeigte sie waagerecht. Erst war mir dies ein Rätsel, später beobachtete ich genauer. Wie ein Kreiselkompass gleicht unser Kapitän durch gekonnte Hüft- und Taillenbewegungen Schwankungen des Schiffes aus. Hinzu kommt eine synchrone Bein- und Beckenarbeit, wie bei einer Bauchtänzerin. unterstützt von heftigen Bewegungen der Arme. Gleichgewicht wird immer gehalten. Bei heftigen Stößen und Sprüngen des Schiffes, bei Gefahr ist Schnelligkeit der Reaktion gefragt. Bei Sturm, Wetter und Nacht, bei überbrechendem Wasser gibt der Anfänger leicht auf. Im sicheren Halt der Decksluk festgekeilt, suche ich einen festen Punkt. Unter Maschine, damit das Boot steuerbar bleibt, wird mutig und ruhig das Segel sicher eingeholt und verstaut. Danach wird das Sturmsegel gesetzt. Es handelt sich hier um Akrobatik. Sicher muss man viel zur See fahren um Handlungswillen und Standhaftigkeit näherungsweise zu erreichen...

Rolf Schröder

Informieren Sie sich auch auf: www.sc-rhe.de